Diätmanagement-Strategien als Instrument zur Kundenbindung

Am Beispiel einer Reduktionsdiät in zwei Schritten zum Erfolg

Schritt 1: Problembewusstsein erzeugen

Genau wie wir Menschen weisen heutzutage auch immer mehr Vierbeiner deutliches Übergewicht auf.1 In Europa betrifft es bei Hund und Katze inzwischen nahezu jeden 2. Vierbeiner.3,8 Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass heute fast 50 % der in der Praxis vorgestellten Hunde und Katzen mehr oder wenig übergewichtig sind.

Adipositas, der leise Killer

Je nach Autor wird bereits ein Gewicht, das mehr als 10 % (-15 %) über dem Idealgewicht liegt, als beginnende Adipositas definiert. Bei mehr als 20 % (- 30 %) oberhalb des Idealgewichtes wird von Adipositas gesprochen.3,8 Die möglichen gesundheitlichen Folgen von Übergewicht, wie beispielsweise Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, erhöhtes Krebsrisiko und Gelenkprobleme, sind inzwischen durchaus bekannt. Den meisten Tierhaltern fehlt jedoch das Bewusstsein dafür, dass ihr Tier dieser Risikogruppe angehört.1

Auch Tierärzte scheinen an den Anblick übergewichtiger Vierbeiner inzwischen gewöhnt zu sein. 2008 veröffentlichten A.J. German und L.E. Morgan eine Studie zur Frage, wie oft in der Praxis Körpergewicht und Körperkondition von Hunden bewertet werden.5 Es zeigte sich, dass im fraglichen Zeitraum 70 % der 148 ausgewachsenen Hunde, die an der Studie teilnahmen, gewogen wurden. Die Zeiträume zwischen den Gewichtskontrollen waren jedoch sehr unterschiedlich. Manche Tiere wurden nach 5 Tagen, andere erst nach 6 bis 8 Jahren erneut gewogen. Subjektiv beurteilt wurde die „Figur“ in 43 % der Fälle. Doch bei nur einem einzigen Hund wurde eine anerkannte Methode zur Beurteilung der Körperkondition (Body Condition Scoring) verwendet. Speziell dieser Hund hatte sein Idealgewicht und der Tierarzt wollte darauf gezielt aufmerksam machen.

Wie viel „mehr“ ist zu viel?

Woher diese Entwicklung kommt, lässt sich erahnen. Ein pummeliges Tier erscheint irgendwie niedlich und gehört heute quasi genauso zum Straßenbild wie übergewichtige Menschen. Viele Halter übergewichtiger Tiere sind selbst übergewichtig.8 Hinzu kommt, dass 1 bis 2 kg mehr auf der Waage bei uns Menschen normalerweise nicht viel ausmachen. Für einen kleinen Hund oder eine Katze können jedoch 1 oder 2 kg Übergewicht bedeuten, dass sie mehr als 25 % über ihrem Normalgewicht liegen und damit krankhaft übergewichtig sind. Umso wichtiger sind in der Praxis die Aufklärung der Tierhalter, routinemäßige Gewichtskontrollen, korrekte Beurteilungen des Body Condition Score und die Protokollierung dieser Ergebnisse.2,3,4,6,8

Normalgewicht

Übergewicht + 10% (beginnende Adipositas)

Übergewicht + 20 % (Adipositas)

2 kg2,2 kg2,4 kg
3 kg3,3 kg3,6 kg
5 kg5,5 kg6 kg
7 kg7,7 kg8,4 kg
10 kg11 kg12 kg
15 kg16,5 kg18 kg
25 kg27,5 kg30 kg
40 kg44 kg48 kg
60 kg66 kg72 kg

Das Diät-Dilemma

Doch auch wenn Tierarzt und Besitzer das Problem erkannt haben: Die Entscheidung für eine Diät ist schwierig. Dem Tierhalter fällt es meist schwer, die Fütterung einer Diät durchzuhalten. Schon das Wort „Diät“ suggeriert ihm, dass das Futter nie so lecker sein kann, wie die gewohnte Kost. Dass Nahrungsspezialisten wie die Katze bei der Futterumstellung mäkelt und der Hund während der Dauer der Diät vermehrt bettelt oder alles annähernd Essbare von der Straße sammelt, wird geradezu erwartet. Diese Erwartung wird umso sicherer eintreten, umso mehr der Besitzer die Diät als „Quälerei“ für seinen Vierbeiner erlebt, z. B. wenn das Futter eine starke Rolle in der Tierhalter-Tier-Beziehung spielt.2 Für ein erfolgreiches Mitwirken des Tierhalters sind daher auch die Schmackhaftigkeit und der sättigende Effekt der Diätnahrung von größter Bedeutung.

Weitere für den Diäterfolg äußerst kritische Faktoren sind Kosten und Zeit – sowohl für den Tierhalter als auch für den Tierarzt.7 Dass die Fütterung einer Spezialdiät signifikant höhere Futterkosten verursacht, konnte eine 2015 veröffentlichte Studie allerdings widerlegen.5 Da während einer Diätmaßnahme weder Essensreste noch Snacks zusätzlich zur Hauptmahlzeit angeboten werden, liegen die Mehrkosten in der Studie gegenüber der vorherigen Fütterungsweise bei umgerechnet 0,29 € pro Tag (gewöhntes Futter inkl. Snacks/Tag 0,72 €, Diätfütterung/Tag 1,01 €). Um schonende Gewichtsverluste von 1 bis 2 % des Körpergewichtes zu erzielen2, ziehen sich Maßnahmen zur Gewichtsreduktion in aller Regel über mehrere Monate hin. Zu den Futterkosten kommen Kosten für regelmäßige Kontrolltermine, die für den Diäterfolg so unerlässlich sind wie die Diätnahrung selbst. Diätmaßnahmen fordern dem Halter nicht nur ein hohes Maß an Standhaftigkeit und Geduld ab, sondern die Bereitschaft für das Wohlergehen des Vierbeiners mehr Zeit für ein zusätzliches Bewegungsprogramm und Tierarztbesuche zu investieren sowie Kosten auf sich zu nehmen. Die Aufgabe des Tierarztes sollte es sein, den Tierhalter sensibel und doch konsequent über die Problematik Adipositas und geeignete Maßnahmen aufzuklären und in die Verantwortung zu nehmen.2,7

Übergewicht wird heutzutage bei Mensch und Tier so oft gesehen, dass es kaum mehr bewusst registriert wird. Anschauliche und nachvollziehbare Beispiele können helfen, die Wahrnehmung der Adipositas als ernsthaftes Gesundheitsproblem bei Tierarzt und Tierhalter gleichermaßen zu verbessern. Ist dieser erste Schritt getan und das Problem als solches erkannt, kann ein Handlungsbedarf aufgezeigt und der Willen zur Mitarbeit an der Lösung des Problems erzeugt werden.

Schritt 2: Diätmanagement als Team-Arbeit

Der erste wichtige Schritt in die richtige Richtung ist getan, wenn beim Tierhalter das Bewusstsein für die ernsthaften gesundheitlichen Folgen von Übergewicht für seinen Vierbeiner geweckt ist. Nun geht es um die Frage nach der passenden Diät und der besten Vorgehensweise, damit das gemeinsame Projekt ein Erfolg wird. Eine gute Adipositas-Diät erfüllt nicht nur gezielt die für ihren diätetischen Zweck wichtigen ernährungsphysiologischen Vorgaben, sie ist zudem schmackhaft und sättigend, damit eine langfristige Akzeptanz gewährleistet ist. Idealerweise liest sich die Rezeptur dazu möglichst lecker und die Liste der Inhaltsstoffe hält der Überprüfung durch besonders besorgte Besitzer stand. Ein „gutes Gefühl“ bei der Futterwahl spielt für die Erfolgsaussichten bisweilen eine wichtige Rolle. Nämlich dann, wenn „Futter“ für den Tierhalter weit mehr als das Versorgen des Hundes mit Nahrung oder ein Hilfsmittel bei der Erziehung ist.2

Der zuverlässigste Erfolgsgarant bei einer Reduktionsdiät ist neben der geeigneten Diätnahrung, die enge Zusammenarbeit zwischen Tierhalter und Tierarzt. Das beste Instrument: regelmäßige Kontrolltermine. Hauptaugenmerk ist dabei auf konsequent eingehaltene Fütterungsanweisungen, das Einhalten des individuell auf das Tier abgestimmten Bewegungsprogrammes und auf die Tierhalter-Motivation zu richten. Die Kontrolltermine sollten idealerweise zunächst alle 1 bis 2 Wochen eingeplant werden, um Gewicht und Allgemeinbefinden protokollieren sowie Futtermengen und sportliche Aktivitäten individuell anzupassen zu können.1,2,3,4,7,8

Engagement = Erfolg = Kundenbindung

Warum also nicht Gewichtskontrolle und Beurteilung der Körperkondition als Routine in die Untersuchung einbauen? Warum nicht eine Adipositas-Sprechstunde und einen Wiegetag einführen? Professionell durchgeführt, haben solche gesundheitsfördernden Maßnahmen einen für den Halter durchaus nachvollziehbaren Mehrwert und dürfen auch etwas kosten. Wiederholte Vorher-Nachher-Fotos, ausgedruckte Verlaufsdiagramme, Fitness- und Futterpläne machen die bezahlte Leistung nachvollziehbarer.

Um wichtige Informationen über mögliche Probleme während des Zeitraums zwischen den Kontrollterminen zu erhalten, ist es hilfreich, den Tierhalter bereits im Wartezimmer regelmäßig vor der Gewichtskontrolle einen standardisierten Status-Bericht ausfüllen zu lassen. Mit Routinefragen, wie z.B. „Wurde die Futtermenge vor dem Füttern abgewogen?“ oder „Wurde das Bewegungsprogramm konsequent durchgeführt?“, können viele relevante Informationen vorbereitend auf das anschließende Gespräch mit dem Tierarzt eingeholt werden. Die Dauer eines solchen Termins kann auf diese Weise für den Tierarzt gut einschätzbar und die Kosten für den Tierhalter in einem akzeptablen Rahmen gehalten werden.

Förderung der Motivation des Tierhalters

Idealerweise wird der Tierhalter auch in der Zeit zwischen den Kontrollterminen nicht allein gelassen. Ein weiteres Hilfsmittel zur Motivationsförderung ist das konsequente Führen eines Diät-Tagebuches über den gesamten Zeitraum der Diät. Dort können beispielsweise Änderungen der Futtermenge durch den Tierarzt, die täglichen Aktivitäten mit dem Tier und eigene Gewichtskontrollen festgehalten werden. Werden die Tagebücher konsequent geführt und zum Kontrolltermin mitgebracht, haben Tierarzt und Tierhalter alle für den Kontrolltermin relevanten Informationen parat. Die Notizen können dabei hilfreich sein, Ursachen für Rückschläge aufzudecken und Missverständnissen vorzubeugen. Praktische Diät-Tagebücher und informative Broschüren mit Tipps werden von Futtermittelherstellern mit einem Diätsortiment kostenfrei als Service angeboten. Alternativ kann zur Dokumentation auch ein Heft oder Kalender in Buchformat verwendet werden.

Vorbeugen ist besser als Heilen

Besonders häufig ist Übergewicht bei Kastraten festzustellen. Das bestätigt auch eine 2013 veröffentlichte amerikanische Studie.9 Diese Studie befasste sich mit der Frage, ob möglicherweise das Alter von Hunden zum Zeitpunkt der Kastration einen Einfluss auf die Entstehung von Übergewicht hat. Dies konnte nicht bestätigt werden. Im Verlauf der Studie konnte jedoch eine andere interessante Beobachtung gemacht werden: Die Auswertungen ergaben, dass Übergewicht überdurchschnittlich oft in den ersten beiden Jahren nach der Kastration entsteht. Der Grund ist möglicherweise, dass Hunde überwiegend in jüngerem Lebensalter und damit in einer entsprechend besonders guten körperlichen Verfassung kastriert werden. Ein zusätzliches Risiko für Übergewicht scheint also trotz aller Beratung ein fehlendes Bewusstsein für die tatsächlichen Verhaltens- und Stoffwechselveränderungen im Zeitraum unmittelbar nach einer Kastration zu sein. Um in diesem als besonders kritisch aufgefallenen 24-Monate-Zeitraum Übergewicht effektiv vorbeugen zu können, sollten nach einer Kastration ebenfalls regelmäßige Termine zur Gewichtskontrolle als Service etabliert werden. Sowohl bei der Reduktion als auch bei der Vermeidung von Übergewicht gilt: Für den Erfolg eines Diätplans ist viel Engagement auf Seiten des Tierarztes sowie des Tierhalters nötig. Durch ein gut durchdachtes tierärztliches Vorsorgeprogramm und die konsequent durchgeführte Begleitung des Tierhalters während der Diätmaßnahme kann Übergewicht besonders effektiv vorgebeugt, erfolgreich behandelt und die Kundenbindung optimiert werden. Ein Gewinn für alle Beteiligten.

Literaturnachweise:

1 Candellone A, Morgan D, Buttignol S, Meineri G (2017), Leaner, Healthier, Happier Together – A Family-Centred Approach to Weight Loss with the Overweight Dog and Her Caregivers, Case Report, Veterinary Sciences 2017,4, 41

2 Brooks D, Churchill J, Fein K, Linder D, Michel K, Tudor K, Ward E, Witzel A (2014), Weight Management Guidelines for Dogs and Cats, Veterinary Practice Guidelines AAHA.ORG, 1-11.

3 Dobenecker B (2013), Vorbeugendes Gewichtsmanagement – Ein Leitfaden für die Praxis, Kleintier.Konkret 2013;1, Hund|Katze.Ernährung

4 German, AJ (2015), Weight management in obese pets: the tailoring concept and how it can improve results, Acta Veterinaria Scandinavica 2016, 58

5 German AJ, Luxmore J, Holden SL, Morris PJ, Biourge V (2015), Feeding obese dogs during weight loss is on average cost-neutral, Journal of Small Animal Practice/Paper (2015)

6 German AJ, Morgan LE (2008), How often do veterinarians assess the bodyweight and body condition of dogs? The Veterinary Record (2008) 163, 503-505

7 Kipperman BS, German AJ (2018), The Responsibility of Veterinarians to Address Companion Animal Obesity, Animals 2018, 8, 143

8 Kölle P (2014), Adipositas beim Hund – Strategien zur Gewichtsreduktion, HundKatzePferd VET (4/2014) 12-14

9 Lefebvre SL, Yang M, Wang M, Elliot DA, Buff PR, Lund EM (2013), Effect of age at gonadectomy on the probability of dogs becoming overweight, Journal of American Veterinary Medical Association July 2013, 236-243